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Das Jahresmagazin von Innosuisse 2021

«Wir konnten schon verschiedene Investoren überzeugen»

Bloom Biorenewables möchte Unternehmen auf der ganzen Welt eine Alternative zu erdölbasierten Produkten bieten. Das Start-up aus Marly FR entwickelt eine Technologie, mit der sich Biomasse für die Herstellung von Kosmetika, Textilien oder Lebensmitteln nutzen lässt. Der CEO des Start-ups, Dr. Remy Buser, erklärt, wieso Pflanzen das neue Erdöl sind.

Dr. Remy Buser

CEO des Start-ups Bloom Biorenewables

Erdöl ist in unserem Alltag immer noch fest verankert. Wie wollen Sie das ändern?

Vielen ist nicht bewusst, dass Petrol, das aus Erdöl gewonnen wird, in vielen alltäglichen Produkten wie Kosmetik, Farben oder Medikamenten vorkommt, sogar in Lebensmitteln. Petrol muss sich aber in den nächsten 20 bis 30 Jahren durch nachhaltiges Material ersetzen lassen. Zu diesem Ziel haben wir eine spezielle Technologie entwickelt, die aus Biomasse – zum Beispiel aus Pflanzen, die um uns herum wachsen – nachhaltigen Kohlenstoff gewinnen kann. Diese Biomaterialien dienen dann als Ersatz für die chemische Industrie oder als Treibstoff, der im Gegensatz zu Petrol aus erneuerbaren Quellen stammt. Fürs Innosuisse-Projekt haben wir uns exklusiv auf Holz beschränkt. Das Prinzip funktioniert aber mit allem, das auf der Erde wächst, zum Beispiel auch mit Gras, Stroh, Nussschalen oder Mangokernen.

Wie genau lassen sich Pflanzen als Kraftstoff für chemische Herstellungsverfahren nutzen?

Unser Verfahren bricht die mikroskopische Struktur des Holzes auseinander. Diese sogenannte Fraktionierung ist vergleichbar mit dem Vorgehen der Papierindustrie, die aus Holz vor allem Zellulose gewinnt. Für uns ist vor allem das Lignin wichtig, ein anderer Bestandteil des Holzes. Lignin ist nicht so bekannt, obwohl es in Bäumen einen Viertel der Masse ausmacht. Lignin hat ähnliche Eigenschaften wie Erdöl. Es wirkt als eine Art Klebstoff und hält die restlichen Bestandteile von Holz zusammen.

Noch wird Lignin kaum verwertet, es wird verbrannt oder als Abfallprodukt angesehen. Wir hingegen extrahieren es und brechen es auf die einzelnen Grundbausteine runter. In anderer Struktur kann es dann als chemikalischer Baustein wiederverwendet werden, zum Beispiel in der Duftstoff-, Kosmetik-, Pharma- oder Farbstoffindustrie.

Damit man sich die Fraktionierung besser vorstellen kann: Stellen Sie sich vor, Sie haben ein ganzes Ei vor sich. Als Einheit liegt es hart und geschlossen da – es lässt sich wenig damit anfangen. Mit den einzelnen Bestandteilen lässt sich aber etwas Sinnvolles machen, zum Beispiel einen Kuchen backen. Dazu muss man es aufbrechen. Wenn man die einzelnen Teile schön voneinander trennt, kann man viel mehr damit anfangen, als wenn man mit dem Hammer draufschlagen würde. Wir machen dasselbe mit dem Holz. Um mit seinen einzelnen Bestandteilen zu arbeiten, muss man vorsichtig vorgehen. Mit unserem System können wir das wertvolle Lignin so aus der ganzen Struktur lösen, dass es als Baustein für die Chemieindustrie weiterverwendet werden kann.

Lignin – im Bild zusammen mit den restlichen Bestandteilen von Holz – weist ähnliche Eigenschaften wie Erdöl auf und dient als nachhaltige Alternative.

Was hat Sie dazu bewegt, nach einer nachhaltigen Alternative zu Erdöl zu forschen? Und warum kam vor Ihnen noch niemand auf die Idee?

Nach meinem Studium war ich wissenschaftlicher Mitarbeiter des Parlaments. Dort habe ich vor allem Umweltfragen bearbeitet und habe gemerkt, dass das breite Publikum den Klimawandel nicht versteht. Als Chemiker kann ich Details, Ursachen und Zusammenhänge des Klimawandels natürlich besser nachvollziehen.

Es ist mir ein grosses Anliegen, jetzt nach Lösungen zu suchen. Man darf nicht warten, bis der oder die Letzte realisiert hat, was der Klimawandel ist. Deshalb haben wir, drei Chemiker, beschlossen, ein eigenes Unternehmen zu gründen und eine nachhaltige Erdöl-Alternative zu entwickeln.

Die analytische Methode, um Biomasse zu verstehen, ist erst seit ein paar Jahren ausgereift. Deshalb konnte man die Struktur des Lignins nicht früher erforschen. Heute weiss man, dass Pflanzen grosse Quellen von erneuerbaren Kohlenstoffen sind.

Inwiefern hat Ihnen Innosuisse dabei geholfen?

Den Fraktionsprozess haben wir vor zwei Jahren im Labor entwickelt, und wir konnten wissenschaftlich beweisen, dass es funktioniert. Kommerziell war aber eine Skalierung nötig. Um mit der Chemieindustrie ins Geschäft zu kommen, ist es wichtig, in grösserem Massstab zu produzieren.

Dank der Unterstützung von Innosuisse konnten wir mit dem Institut für Chemische Technologie (Institut ChemTech) der Hochschule für Technik & Architektur Fribourg zusammenarbeiten. Vor Projektstart 2019 konnten wir in maximal zehn Liter fassenden Reaktoren Lignin extrahieren. Mit der chemischen Anlage in Fribourg schafften wir es, den Prozess auf einer Installation mit 630 Liter durchzuführen.

Die Skalierung ist aber ein komplexes Unterfangen. Lassen Sie mich wieder einen Vergleich aus dem Alltag aufstellen: Spaghetti Carbonara für vier Personen zu kochen ist nicht dasselbe wie für 400 Personen. Dann stellen sich plötzlich ganz andere Fragen: Wie schüttet man das Pastawasser ab oder wie mischt man die Eier unter die Spaghetti? Durch grössere Dimensionen wird der Prozess gleich viel aufwendiger. Obwohl das Grundprinzip dasselbe ist: Man muss quasi den Prozess neu erfinden, die Sicherheitsmassnahmen anpassen, die Abläufe ändern.

Die Zusammenarbeit mit dem Institut ChemTech bedeutet uns sehr viel. Das Fachwissen und die industrielle Dimension, die die Fachhochschule reingebracht hat, hat uns sehr viel gebracht. Unser Unternehmen würde es ohne Innosuisse wohl nicht geben. Ihre Unterstützung ist essenziell für die Wirtschaftsförderung und sie beschleunigt Innovationen.

Auf der Anlage am Institut für Chemische Technologie gelang es erstmals, in einem 630-Liter-Gefäss Lignin zu extrahieren.

Was sind Ihre nächsten Ziele?

Die Erdölindustrie ist eine Industrie des Volumens und arbeitet mit unvorstellbar grossen Mengen. Mit unserer Produktionsmenge von 630 Litern sind wir natürlich noch weit davon entfernt, kommerziell mit unserer Technologie zu arbeiten und die Branche zum Umsteigen zu überzeugen. Zurzeit produzieren wir weiter mit der ChemTech-Anlage in Fribourg.

Es ist der richtige Zeitpunkt, Alternativen zu finden. Mit dieser Meinung sind wir zum Glück nicht allein: Dank des Innosuisse-Projekts konnten wir verschiedene Investorinnen und Investoren überzeugen. 2022 und 2023 validieren wir Märkte und suchen kommerzielle Partner. Unser Plan ist, am Marly Innovation Center (MIC), auf einem ehemaligen Ciba-Geigy-Areal, dereinst eine grössere Produktionsanlage zu bauen.

Erdöl dominiert den Markt seit Jahrzehnten. Wie konkurrenzfähig wird Ihr Produkt dereinst sein?

Viele Konsumentinnen und Konsumenten sind zwar auf Umweltfragen sensibilisiert und möchten auch nachhaltiger leben. Für die meisten ist es aber schwierig zu erkennen, wie man das tun muss. Das Thema ist sehr komplex.

Dann ist der Preis auch ein wichtiger Aspekt. Die Förderung von Erdöl gibt es seit 150 Jahren, da sind alle Prozesse optimiert. Die Entwicklung eines neuen Prozesses ist natürlich teurer. Wir können aber erst zu vergleichbaren Preisen produzieren, wenn wir dieselben Skalen wie die bestehende Industrie erreichen. Unsere Modelle zeigen, dass es theoretisch möglich ist.

Die erneuerbare Chemie ist da, wo die Produktion von Solarzellen in den 80er-Jahren des letzten Jahrhunderts war. Solarzellen wurden in den vergangenen 30 Jahren massiv günstiger.

Der Weg zu nachhaltigen Alternativen hat in der Vergangenheit funktioniert – und er wird wieder funktionieren. Es wird aber viel mehr Firmen geben, die diesen Weg gehen müssen. Und zwar nicht nur in der Software, sondern auch in der Hardware: Statt digitale Lösungen braucht es vermehrt konkrete Alternativen für klimafreundliches Material. Das ist wie beim Strom: Um nachhaltigen Strom nutzen zu können, müssen zuerst Dämme oder Solaranlagen gebaut werden. Das Problem des Klimawandels lässt sich nur durch Hardware beheben.

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